Gefährdet der Klimawandel auch unsere private Sicherheit?
Nick Reimer: »Natürlich, im Kleinen, wie im Großen! Zum Beispiel durch die Asiatische Tigermücke, die tropische Krankheiten wie das Dengue-Fieber überträgt: Als wir das Buch 2018 zu schreiben begannen, war die Tigermücke bereits bis nach Jena gekommen: Wegen der steigenden Temperaturen konnte sie dort überwintern. Mittlerweile gibt es in Berlin-Treptow eine gesicherte Kolonie. Zunehmende Wetterextreme, mehr Dürre, Verwerfungen in anderen Teilen der Welt und damit einhergehende Flüchtlingsströme – das schöne, sichere Leben, wie wir es im gemäßigten Klima Mitteleuropas kannten, das wird es nicht mehr geben.«
Toralf Staud: »Ja, leider – und zwar auf vielerlei Weise. Wir werden neue und mehr Gesundheitsrisiken bekommen, mehr Hitzetote, tropische Krankheiten. Häufigere Dürren bedrohen die sichere Trinkwasserversorgung. Extremwetter werden öfter als gewohnt Keller unter Wasser setzen, Häuser zerstören – die Katastrophe im Ahrtal vor zwei Jahren war ein Blick in unsere unsichere Zukunft.
Wer Sicherheit will, muss deshalb Klimaschutz machen – all unser Wohlstand, ja die gesamte menschliche Zivilisation sind in einer Phase von ungewöhnlich stabilem Klima gewachsen. Dieses stabile Klima, das Grundlage auch einer florierenden Wirtschaft ist, zerschießen wir uns gerade. Diesen Punkt haben wir im Taschenbuch mit einer 14 Seiten langen Infografik nochmal klar gemacht.«
Was können wir tun, um die Politik zum Handeln zu bewegen?
Nick Reimer: »Einmischen! Jeder, der die Gefahren erkannt hat, muss sich einmischen. Deshalb sind ja die Proteste der 'Letzten Generation' auch so wichtig. Das heißt nicht, dass jeder sich irgendwo festkleben sollte! Ein Brief an seinen Wahlkreisabgeordneten, in dem endlich mehr Klimaschutz gefordert wird, ist auch schon eine wichtige Botschaft!«
Toralf Staud: »Zum einen, schonmal das eigene Leben verändern, möglichst nicht mehr fliegen, weniger Fleisch essen – noch wichtiger als die konkret eingesparten Emissionen ist dabei das Zeichen an die Politik und mein Umfeld, dass man selbst bereit ist zu klimaschonendem Verhalten.
Zum anderen sollte man soviel wie möglich übers Klima reden und darüber, dass man stärkeren Klimaschutz will. Bei der Grillparty, am Arbeitsplatz, beim Kaffeeklatsch, überall. Im Moment ist es so: Die Gegner von Klimaschutz sind eine Minderheit, aber sie sind laut. Auch deshalb traut sich die Politik so wenig. Die große Mehrheit, das zeigen Umfragen, will Klimaschutz und will zum Beispiel klare gesetzliche Regelungen. Aber sie sagen es zu selten, weil sie fälschlich glauben, sie seien in der Minderheit. Diese 'Schweigespirale' muss durchbrochen werden.«
Wie wird Deutschland 2050 aussehen, wenn sich nicht bald etwas drastisch verändert?
Nick Reimer: »Es wird vor allem ein heißeres, ungemütlicheres Leben sein: Schon heute gibt es in Deutschland mehr Hitzetote, als Menschen, die bei Verkehrsunfällen ums Leben kommen. Die Verteilungskämpfe werden schärfer, um Wasser zum Beispiel, um Mittel für die Anpassung an die Veränderungen, global gesehen um Lebensraum. Klimaprognosen sagen allerdings, dass die Klima-Veränderungen bis in die 2040er Jahre weiter gehen werden – egal, wie wir heute handeln. Es sind einfach jetzt schon zu viele Treibhausgase in die Atmosphäre gelangt.«
Toralf Staud: »Dass es bei uns heißer, trockener und unsicherer wird, steht leider schon fest. Die bisherigen CO2-Emissionen bleiben lange in der Atmosphäre, und das Klimasystem ist träge. Deshalb ist das, was wir im Buch beschreiben, nicht mehr zu verhindern.
Aber wir können verhindern, dass danach alles noch schlimmer wird – indem wir in den nächsten paar Jahren wirklich die Wende schaffen. Und als erstes die Debatte vom Kopf auf die Füße stellen: Viele Leute fürchten die Einschnitte durch Klimaschutzmaßnahmen – doch langfristig verursacht der Verzicht auf Klimaschutz viel größere Einschnitte, viel größere Veränderungen, viel größere Freiheitsverluste. Klimaschutz mag manchmal wirken wie der Totalumbau des Landes. In Wahrheit sorgt er dafür, dass nicht alles völlig anders wird!«
