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Vier Fragen an Daniela Dröscher

Daniela Dröscher im Interview

Wir begleiten deine Hauptfigur Ela durch das vielleicht wichtigste Jahr ihres Lebens: Vor welchen Herausforderungen steht sie? Und welche Fragen stellt sie sich?

Ela muss ihre Dissertation zu Ende bringen, sie muss aufpassen, dass sie ihren Job an der Uni behält, sie muss sich aus der viel zu engen Bindung an ihre Mutter lösen – v. a. aber muss sie herausfinden, warum ihr Körper so in Aufruhr ist. Deshalb gerät sie auf eine Ärzteodyssee. Die läuft erst einmal gehörig schief. Im Laufe der Handlung findet Ela aber Hilfe – zum Glück. Die Frage, die sie sich stellt, ist: Was ist falsch mit mir? Warum fühlt sich das Leben so weit weg an?

Warum ist Elas Krankheitsgeschichte so eng verknüpft mit ihrer Selbstfindung als Frau und Künstlerin?

Das Schreiben rettet Ela, wie sie selbst sagt. Ihr Körper rebelliert und stürzt sie in die Krise – und das nicht zum ersten Mal. Als jemand, der häufig krank gewesen ist im Leben, hat sie immer viel gelesen. Bücher sind für sie eine wichtige Verbindung zur Welt. Aus dem Lesen wird irgendwann unmerklich ein Schreiben. In der Literatur sucht sie einerseits das Fremde – ferne Länder, Kulturen, Sprachen –, aber auch unerforschte eigene Seelenlandschaften. Ihre Reise, sagt sie an einer Stelle, ist eine Reise ins Land der Gefühle. Ela verliebt sich gleich mehrfach: in ihre Hauptfigur, einen jungen Mann namens O –, und in das Schreiben selbst. Mit dem Schreiben wird sie sich dann zunehmend politisieren.

Welche Rolle spielt das autofiktionale Schreiben dabei? Auch dein letzter Roman „Lügen über meine Mutter“, der die Leser*innen so begeistert hat, war nah am eigenen Erleben geschrieben…

In der Möglichkeit, Teile seines Lebens in eine Romanhandlung zu verwandeln, liegt für mich eine Ermächtigung. Indem ich erfinderisch mit biografischen Momenten umgehe, kann ich mich wie von außen sehen. Es macht Erlebtes verständlicher, auch weil es fast immer an eine gesellschaftliche Struktur rührt. Es ist nicht Elas individueller Fehler, sich in den Burnout zu arbeiten – es wurde ihr so vorgelebt, es entspricht ihrer Prägung. In meinem neuen Roman habe ich, anders als in den „Lügen“, nicht so sehr die soziologische Brille auf – es ist eher eine philosophische. Auch ist die „Fiktion“ stärker als das „Auto“, könnte man sagen. Es gibt vieles, was fantastisch, überhöht und, ja, bisweilen vielleicht sogar märchenhaft wirkt. Zugleich ist sehr vieles darin 1:1 so passiert. Die Aussagen vieler Ärzte sind O-Töne, ebenso sämtliche Symptome, die Elas Körper heimsuchen, und auch die titelgebende Katze (Sir Wilson heißt wirklich Wilson). Mein Schreiben lebt von Details – und Details, die dem echten Leben entstammen, sind sehr oft die besten. Die Kunst liegt dann darin, sie an der richtigen Stelle zu platzieren, etwa sie der richtigen Figur zuzuordnen.

Woher schöpfst du deine Themen sonst noch? Oder anders gefragt: Warum schreibst du?

Meine allerallererste Verlegerin – Elisabeth Ruge – hat einmal zu mir gesagt: „Du hast noch hundert Geschichten in dir“; und ich fürchte, das stimmt. Ich warte einfach immer, bis das nächste Buch „schlüpft“, es passiert ziemlich organisch. Die Themen finden mich – nicht so sehr ich sie. Mal ist es ein Diskurs oder ein Thema, das sich als dringlich in den Vordergrund schiebt, mal empfinde ich die eine Form reizvoller als die andere. Ein verbindendes Element ist tatsächlich der Körper. Es gibt für mich kein größeres Rätsel. Ich entwickle meine Figuren immer von ihrem Körper ausgehend. Warum ich schreibe? Das ist ein wenig so, als würde man nicht fragen: Warum atmest du? Ich glaube, weil ich muss. Es ist eine Lebensform. Ich schreibe nur über Dinge, die ich nicht verstehe – und nur durch das Schreiben verstehen kann.

»Eine Frau schreibt sich frei«

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