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Drei Fragen an Marcel Lewandowsky »Was Populisten wollen«

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© privat

 

Warum wählen immer mehr Menschen in freiheitlichen Industrienationen Parteien und Personen, die der Wirtschaft und Demokratie schaden – sind diese Wählerinnen und Wähler alle rechtsextrem?

Ein gewisser Teil dieser Wähler hat tatsächlich ein rechtsextremes Weltbild. Aber so überraschend das klingen mag: Vielen Menschen, die Rechtspopulisten wählen, geht es um die Demokratie - oder um das, was sie dafür halten. Die Unterstützer der Populisten glauben, dass wir inzwischen in einer Diktatur leben; dass ihnen Freiheit, Identität und Rechte genommen werden. Rechtspopulisten bedienen dieses Gefühl. Sich selbst präsentieren die Populisten als »wahre Demokraten«, alle anderen Parteien und Politiker als Feinde der Demokratie. Das funktioniert, weil ihre Wähler so empfinden.

 

Ist die AfD nur ein Trend? Oder müssen wir damit rechnen, dass populistische Parteien in Deutschland dauerhaft bestehen bleiben?

Die meisten Menschen wählen populistische Parteien nicht einfach aus Protest. Sie sind überzeugt von deren Programm. Die Anhänger der Rechtspopulisten stimmen mit deren Demokratievorstellung überein und glauben, ihre Identität gegen Menschen mit Migrationsgeschichte und Geflüchtete verteidigen zu müssen. Populisten profitieren von gesellschaftlichen Veränderungen, die nicht von heute auf morgen gelöst werden können. Deshalb werden diese Parteien nicht so bald wieder verschwinden. Eine mögliche Sollbruchstelle sind die Landtagswahlen in Brandenburg, Thüringen und Sachsen im Herbst. Wird die AfD dort stark, ist nicht ausgeschlossen, dass es in irgendeiner Form zu einer Zusammenarbeit mit dieser Partei kommt. Dann hätte sie einen Fuß in der Tür der demokratischen Institutionen. 

 

Wie sollten Ihrer Meinung nach Medienvetreterinnen und -vertreter mit Populisten interagieren – indem sie ihnen durch Interviews eine Plattform bieten oder lieber keinen öffentlichen Raum gewähren?

Die Frage ist aus meiner Sicht weniger, ob, sondern wie man ein Interview führt. Vertreter populistischer Parteien sind keine Politiker wie alle anderen. Sie stehen für eine bestimmte Ideologie und sie haben eine bestimmte Rhetorik, mit der sie diese Ideologie vermitteln. Gelingt es Journalisten nicht, das deutlich zu machen, dann sind die Medien für die Populisten tatsächlich eine willkommene Plattform. Es geht darum, ihre Strategien aufzuzeigen – und das live. Journalisten dürfen keine Getriebenen der Rechtspopulisten sein. Sie müssen ihnen souverän gegenübertreten. Aber dafür braucht es nicht nur Recherche, sondern spezielle Vorbereitung und Training. Das kostet Zeit und Ressourcen.

Marcel Lewandowsky

Marcel Lewandowsky

Marcel Lewandowsky, geboren 1982, ist promovierter und habilitierter Politikwissenschaftler und Autor und forscht seit über 15 Jahren zu den Themen Populismus, Demokratie und Parteien. Er arbeitete u.a. an der Bundeswehr-Universität Hamburg, der Universität Greifswald und der University of Florida und lebt in seiner Heimatstadt Köln.