Arno Lustiger

Arno Lustiger

Arno Lustiger wurde am 7. Mai 1924 im oberschlesischen Bedzin in Polen geboren. Die dortige Bevölkerung war damals überwiegend jüdisch und die Stadt von jüdischen Einrichtungen geprägt. Lustiger hob rückblickend aber auch den weitgehend säkularen Charakter des jüdischen Lebens dort hervor. Nach dem Einmarsch der deutschen Truppen am 2. Sept. 1939 wurde diese lokale Kultur unwiederbringlich zerstört. Er ging unmittelbar danach in den Widerstand, wurde später aber gefangen genommen. Er überlebte insgesamt vier Jahre in den Konzentrationslagern Sosnowitz, Annaberg, Otmuth, Auschwitz-Blechhammer, Groß-Rosen, Buchenwald und Langenstein. Zuletzt konnte er während des Todesmarsches von Langenstein im März 1945 fliehen, gelangte zu den Amerikanern und erlebte das Kriegsende als Dolmetscher für die GI. Während zwei Schwestern in die USA auswanderten, blieb er nach der Befreiung in Frankfurt am Main bei einer weiteren Schwester und der Mutter, die durch die Jahre im KZ entkräftet waren. Lustiger wollte nach 1945 auch nicht im kommunistisch regierten Polen bleiben.

Nach Besuch des jüdischen Gymnasiums in Bedzin konnte Lustiger nach Kriegsende 1945 kein Geld für einen höheren Bildungsweg aufwenden.

Um für die Familie eine Existenz aufzubauen, gründete er in Frankfurt ein Textilunternehmen, das er ungeachtet fehlender Ausbildung und unternehmerischer Erfahrungen über Jahrzehnte erfolgreich führte. Zugleich war er als Mitglied der jüdischen Gemeinde Frankfurt an deren Wiederaufbau beteiligt und wurde zudem Ehrenvorsitzender der Zionistischen Organisation in Deutschland. Ein weiteres Anliegen für ihn wurde das Engagement in der Budge-Stiftung, die in Frankfurt das zweitgrößte Altenzentrum unterhält und das Zusammenleben zwischen Juden und Christen unterstützt. Wie viele ehemalige Gefangene der Konzentrationslager war auch für Lustiger eine Auseinandersetzung damit lange Jahre unerträglich. So kaufte er zwar die entsprechende Literatur, konnte mit seinen Töchtern hierüber aber nicht sprechen. Erst in den 80er Jahren wandte er sich dem Thema Shoah zu und entwickelte sich vom Autodidakten zum anerkannten Historiker, der sich Desiderata der NS-Forschung annahm.
Sein zentrales Anliegen wurde es, das Bild von den Juden als geradezu willenlose Opfer zu korrigieren. Eine solche Darstellung warf er besonders Raul Hilberg vor, dem Autor des nach wie vor führenden Standard- und Quellenwerks zur Shoah, das 1961 unter dem Titel_ The Destruction_ of the European Jews erstmals erschienen und schon damals von überlebenden Opfern kritisiert worden war.
In Schalom Libertad (1989) zeigte er auf, wie viele Juden in den Reihen der Republikaner im Spanischen Bürgerkrieg 1936-1939 gekämpft hatten. Lustiger stützte sich auf die Auswertung persönlicher Zeugnisse und der wenigen verbliebenen Zeitungsarchive (etwa in den USA) und errechnete einen Anteil von rund 6.000 Juden unter den wohl 40.000 Spanienkämpfern. Fast noch wichtiger erschien, dass Lustigers durch zahlreiche biographische Abhandlungen Bürgerkriegsfreiwillige vor dem Vergessen rettete.

1994 veröffentlichte Lustiger Zum Kampf auf Leben und Tod. Zum Widerstand der Juden 1933-1945. Auch hier machte er bisher weitgehend übersehene Selbst- und Zeitzeugnisse zugänglich und konzipierte das Werk großteils als Sammlung unterschiedlicher Lebensläufe. Anders als Hilberg stützte er sich in seinen Quellenforschungen weniger auf die Akten der Täter als auf Zeugnisse von Juden. Durch seine Arbeit erschienen die großen Ereignisse des Widerstandes wie die Ghetto-Aufstände in Warschau (1943) und Wilna (1943) sowie die Revolten im KZ Treblinka (1943) und im KZ Auschwitz (1944) nicht mehr als singuläre Ereignisse, sondern in Zusammenhängen. Allerdings grenzte er den Begriff Widerstand nicht eng ein, sondern subsumierte darunter die verschiedensten Formen der Widerständigkeit gegenüber den Unterdrückern.
In _Rotbuch – Stalin und die Juden (_1998) arbeitete Lustiger den Antisemitismus des Stalinismus heraus und zeigte, dass Stalin nach dem Sieg über Hitler jüdische Bürger der Sowjetunion ungeachtet ihres Patriotismus und ihrer Hingabe verfolgen und ermorden ließ. Zeitlich griff Lustiger in dem Band bis auf die letzte Jahrhundertwende zurück und zeichnete zugleich ein breites Panorama der politischen Aktivitäten jüdischer Russen und Bürger der UdSSR.

Zum Kampf auf Leben und Tod Zum Kampf auf Leben und Tod
Zuletzt erschienen

Zum Kampf auf Leben und Tod

Obwohl sich die Geschichtsschreibung seit Jahrzehnten mit dem Holocaust beschäftigt,...

Mehr erfahren

Alle Bücher von Arno Lustiger

Alle Bücher